Wir komponieren einen Whisky
Ich höre Euch schon:
"Whisky komponieren? Ist er jetzt völlig verrückt – als wär’s ein Orchester mit Geigen, Trompeten und Kontrabass!"
Aber keine Sorge: Hier gibt’s keinen Taktstock, und die Fässer müssen nicht im Rhythmus swingen.
Doch was, wenn Whiskyherstellung tatsächlich wie eine Komposition wäre? Ein Zusammenspiel vieler "Instrumente": Gerste für die Basstöne, Hefe für die Melodie, das Fass für den Rhythmus. Klingt gar nicht mehr so abwegig, oder?
Ich muss heute schmunzeln, wenn ich daran denke, wie simpel ich mir die Whiskyherstellung anfangs vorgestellt habe.
Sozusagen eine Art Fünf-Takte-Übung:
- eine Portion Gerste und Hefe ins Wasser kippen
- ein bisschen Bier brauen und einmal durch die Brennblase jagen
- alles ins Fass schütten
- ein paar Jahre geduldig abwarten (und Daumen drücken)
- beim ersten Dram hoffen, dass das Universum gnädig war
Aber dann habe ich die vielen Stellschrauben kennengelernt, an denen wir drehen und so den Charakter gezielt beeinflussen können.
Am Ende ist jeder Whisky ein kleines Meisterwerk – Wissen, Rohstoffe, Prozesse und Zeit verschmelzen zu Harmonie. Kennt man die Stellschrauben, formt man ihn wie ein Komponist seine Symphonie.
Wir stellen uns zwei Herausforderungen
Erste Aufgabe
Stell dir eine alte, duftende Bodega vor — die Luft schwer von süßlichem Sherry und würzigen Holznoten.
Genau dieses Gefühl wollen wir einfangen: erst im Fass, dann im Glas.
Ein Whisky voller fruchtiger, weiniger Sherry‑Noten und dunkler Aromen, wie man sie in andalusischen Weinkellern findet.
Ein schwerer, vollmundiger Whisky mit intensivem Bodega‑Charakter.
Zweite Aufgabe
Das genaue Gegenteil:
Leicht, frisch, fruchtig — klingt nach Weißwein? Warum nicht. Auch Whisky kann ein beschwingtes Leichtgewicht sein: elegant, hell und spritzig wie ein Frühlingsmorgen.
Diesmal wollen wir nicht die dunklen Keller Andalusiens heraufbeschwören,
sondern die Leichtigkeit eines Obstgartens:
grüne Äpfel, Birnen, Zitrusfrische und eine sanfte florale Note.
Ein Whisky, der tanzt statt marschiert.
Um das zu erreichen, treffen wir in jedem Produktionsschritt gezielte Entscheidungen.
Hier ein Überblick:
1. Rohstoffe
Bodega-Whisky
Gerste
Wir wählen eine Gerstensorte mit hohem Stärkeanteil. die kräftige Malzigkeit, Körper und Tiefe bringt.
Unsere Wahl fällt auf Laureate.
Sie liefert 66–68 % Stärke und hat eine exzellente
Schüttdichte
Masse eines definierten Volumens Gerste (kg/hl).
Gemessen mit Getreideprobern; beeinflusst von Feuchte, Kornform und Verunreinigungen.
– perfekt für ein dichtes, schweres Destillat.
Hefe
Die Hefe soll nicht nur Alkohol produzieren, sondern auch Geschmack. Ideal ist ein Hefestamm, der viele fruchtige Ester und weinige Noten bildet und dabei schwere, ölige Aromen ins Spiel bringt.
Wir wählen die Sorte SafSpirit: Sie sorgt für ein gutes Gleichgewicht aus fruchtigen Estern und leichten würzigen Noten und schenkt dem Whisky einen runden, fast ölig-weichen Abgang.
Leicht, frisch, fruchtig
Gerste
Für Leichtigkeit wählen wir eine moderne, ertragreiche Gerstensorte, die eher auf hohe Ausbeute und helles Malzprofil setzt als auf tiefe Malzigkeit.
Unsere Wahl: Concerto.
Sie bringt hohe Stärkegehalte und ein sauberes, frisches Malzprofil,
perfekt für einen hellen, fruchtigen Stil.
Hefe
Die Hefe ist diesmal unser Fruchtmeister. Wir brauchen einen Stamm, der besonders viele frische Ester bildet – grüne Äpfel, Birnen, Zitrus.
Unsere Wahl: Mauri Distiller’s Yeast (MD).
Sie ist bekannt für eine helle, fruchtige Aromatik mit Apfel- und Birnentönen sowie floralen Akzenten.
2. Das Fass
Bodega-Whisky
Für das gewünschte Bodega-Aroma braucht es ein echtes Sherryfass – ganz klar. Besonders Oloroso- oder Pedro Ximénez (PX)-Fässer bringen die tiefen, weinigen Noten mit, nach denen wir suchen.
Ein First Fill-Fass Ein Fass, das erstmals nach der Sherryreifung für Whisky genutzt wird. verstärkt den Effekt zusätzlich. Dabei achten wir darauf, dass es kein bloßes "Sherry-seasoned cask" ist!
Ein zusätzliches starkes Ausbrennen (toasting oder charring) intensiviert die Vanille, Datteln, Rosinen und Holzaromen.
Leicht, frisch, fruchtig
Für einen frischen, leichten Whisky wählen wir ein Ex-Bourbon-Fass.
Die amerikanische Eiche bringt Vanille, Kokos und eine sanfte Süße,
die die Fruchtigkeit unterstreicht, ohne sie zu überdecken.
Ideal ist ein First Fill Bourbon Cask – genug Frische, aber nicht zu dominant.
Wer noch mehr Leichtigkeit möchte, kann sogar auf ein Refill Bourbon Cask setzen:
zarter, subtiler, noch frischer.
3. Fermentation
Bodega-Whisky
Für einen schweren, vollmundigen Whisky ist eine lange Fermentation – mindestens 72 Stunden, besser noch 96 oder mehr – entscheidend. In dieser Zeit entstehen neben Alkohol zahlreiche Nebenprodukte: Ester für Fruchtigkeit (getrocknete Früchte, tropische Noten), Milchsäuren für Tiefe und Cremigkeit sowie höhere Alkohole, die das Mundgefühl ölig und schwer machen.
Ab etwa zwei Tagen prägen Milchsäurebakterien durch zusätzliche Säuren und Ester den gewünschten „Bodega-Funk“ Tief, fruchtig-weinig, leicht erdig – der typische Sherrykeller-Charakter. verstärken. Die Temperatur sollte im Bereich von 20–24 °C liegen – kühl genug für feine Ester, warm genug für Substanz.
Auch das Gärgefäß kann beitragen: Traditionelle Holz-Washbacks (statt Edelstahl) erlauben eine Mikroflora, die zu den weinigen, leicht oxidativen Aromen passt, wie man sie aus den Sherry-Bodegas kennt.
Achtung: Manche Gärungen können eine „käseartige“ Note entwickeln, meist durch Milchsäurebakterien. Das passiert bei zu langen oder zu warmen Gären, erschöpfter Hefe oder wilden Mikroben in Holz‑Washbacks. Bei langer Fermentation können wir einfach frische Hefe zusetzen.
Leicht, frisch, fruchtig
Für Leichtigkeit und Frucht wollen wir eine mittellange Fermentation – rund 60–72 Stunden. Das reicht, um viele Ester zu bilden, ohne zu viel Tiefe und „Funk“ aufzubauen.
Die Temperatur bleibt kühl bei 18–20 °C. So entstehen frische Fruchtester (Apfel, Birne, Zitrus), ohne dass sich schwere Alkohole breitmachen.
Ein Edelstahl-Washback sorgt für eine saubere Gärung ohne Mikroflora – damit bleibt das Aroma klar und frisch, frei von Bodega-Noten.
4. Destillation
Bodega-Whisky
Kleinere, gedrungene Brennblasen sind das Herzstück für ein kräftiges Destillat. Ihre kompakte Form fördert weniger Rückfluss und sorgt dafür, dass die schweren Aromen ihren Weg ins Herzstück finden.
Der Lyne Arm formt das Destillat: nach unten geneigt leitet er weniger leichte Alkohole zurück, dafür aber umso mehr ölhaltige, schwere Bestandteile in den New Make. Genau das macht ihn dicht, kraftvoll und vollmundig.
Bei der Destillationsgeschwindigkeit darf es diesmal etwas schneller gehen: Ein zügiges Erhitzen bringt die Dämpfe rascher nach oben und trägt schwerere Moleküle ins Destillat. Das Ergebnis ist ein Whisky mit tiefer Struktur und markanter Präsenz – ideal für den späteren Ausbau im Sherryfass.
Leicht, frisch, fruchtig
Die Brennblasen dürfen diesmal hoch und elegant sein, mit einem langen, aufwärts geneigten Lyne Arm. Das fördert Reflux – nur die leichten, feinen Aromen schaffen es ins Herzstück.
Bei der Destillationsgeschwindigkeit lassen wir es ruhig und langsam angehen. So werden die leichten Ester bewahrt, während schwere Noten zurückbleiben.
Das Ergebnis: ein klarer, heller New Make, fast schon zart – ideal für fruchtbetonte Fassreifung.
5. Reifung
Bodega-Whisky
Die Lagerzeit ist ein weiteres Rad, an dem wir drehen können. Ein First-Fill-Oloroso- oder PX-Fass verleiht schon nach wenigen Jahren intensive, weinige Noten. Mit den Jahren vertieft sich der Whisky jedoch immer mehr in die Welt der Bodega.
Lange Reifung bringt dunkle Früchte, Nüsse, altes Holz und die an Sherrykeller erinnernde, leicht oxidative Würze. In einem traditionellen Dunnage Warehouse, mit seinen feuchten Wänden und erdigen Böden, entwickelt der Whisky zusätzlich jene mystische Tiefe, die man nur aus alten Sherry-Bodegas kennt.
Aber eine Falle droht: Je länger die Reifezeit in einem Fass, desto öfter muss kontrolliert werden, ob der Whisky seine optimale Reifezeit erreicht hat. Es wäre zu schade, wenn nach vielen Jahren auffällt, dass zu viel Holzeinfluss den Whisky verdorben haben!
Leicht, frisch, fruchtig
Die Reifezeit darf kürzer sein als beim schweren Bodega-Typ.
6–8 Jahre in Ex-Bourbon-Fässern bringen genug Vanille und Kokos, ohne die Frucht zu überlagern.
Im trockenen Racked Warehouse
reift der Whisky leichter und heller, die Frucht bleibt im Vordergrund.
So entsteht ein Whisky, der wie ein Sommerwind im Glas wirkt.
6. Reduzierung (oder eben nicht)
Bodega-Whisky
Ein Bodega-Whisky darf ruhig seine ganze Kraft behalten.
Fassstärke unterstreicht die Dichte, Tiefe und Wucht dieses Stils –
dunkle Früchte, Leder, Nüsse und altes Holz entfalten sich mit voller Intensität.
Wer mag, kann ihn im Glas mit ein paar Tropfen Wasser „öffnen“ –
aber die wahre Magie liegt in seiner ungebändigten Stärke.
Leicht, frisch, fruchtig
Ein leichter, fruchtiger Whisky darf nicht von zu vielen Volumenprozenten erschlagen werden.
Deshalb verdünnen wir ihn auf 46–48 %.
Wenn wir noch weiter reduzieren, besteht die Gefahr, dass sich einige Aromen verflüchtigen.
So bleibt die Frische klar, die Frucht strahlt und der Whisky wirkt
beschwingt statt wuchtig.
Das Ergebnis?
Ein Whisky wie ein flüssiger Bodega‑Besuch ohne Kater:
malzig, fruchtig, weinreich und voll,
veredelt durch jene Tiefe, die nur entsteht, wenn Kunst, Zeit und Holz
gemeinsam am Tisch sitzen.
Und der Gegenpol: ein Whisky wie ein Biss in eine frische Birne,
mit Noten von grünem Apfel, Zitrus, feinen Blüten und einem Hauch Vanille.
Leicht, frisch und beschwingt.
Und die Moral?
Ihr seht: Wir haben mehr Hebel als ein Dirigent Notenblätter.
Jeder Schritt — vom Korn bis zum Keller, von der Hefe bis zum Holz — ist ein kleines Solo,
das im großen Orchester des Whiskys aufgehen muss.
Whisky ist eine Komposition.
Und wir entscheiden, ob es eine leichte Serenade oder eine schwere Symphonie wird.
